Oft keine Reaktionen von Inkassofirmen
Oft reagierten die Inkassofirmen nicht einmal auf die Bitte des vzbv um nähere Informationen. Besonders schwierig wird die Situation für die Opfer, weil in den Inkassoschreiben fast nie steht, wann der angebliche Vertrag abgeschlossen wurde, wer der Vertragspartner ist und wie seine Adresse lautet.*
Verträge untergeschoben
„Meist beginnt die Schweinerei mit typischen Abofallen im Internet oder mit unerwünschten Werbeanrufen bei Verbrauchern“, so vzbv-Vorstand Gerd Billen am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Berlin. In jedem zweiten Fall waren Internet-Abofallen die Ursache: Angebote, die es überall im Internet eigentlich gratis gibt, die aber auf betrügerischen Seiten gegen Geld angeboten werden. Die Seiten sind so gestaltet, dass die meisten Internetsurfer den Preishinweis übersehen. Typischerweise bekommen die Opfer wenige Tage später per Post oder Email eine Rechnung mit dem Hinweis, sie hätten zum Beispiel ein zweijähriges Abonnement für monatlich 8 Euro abgeschlossen, der Jahresbetrag von 96 Euro sei sofort zu überweisen. Doch zahlreiche Gerichte haben inzwischen geurteilt, dass die Opfer keine wirksamen Verträge abgeschlossen haben. Die Betroffenen brauchen also nicht zu zahlen. test und Finanztest haben mehrfach vor dieser Abzockerei gewarnt.
Vertragsabschluss verschleiert
Ein Viertel der Fälle, die der vzbv untersuchte, betrifft Gewinnspieleintragungsdienste. Hier erhalten die unfreiwilligen Kunden typischerweise zuhause einen Werbeanruf. Dabei wird ihnen ungewollt ein Abovertrag untergeschoben. „Am Telefon lenken die Unternehmen den Kunden mit bewusst undeutlichem, schnellem Sprechen oder mit komplizierten Vertragsbedingungen ab“, so die vzbv-Studie. Die angebliche „Dienstleistung“ besteht dann darin, dass der Kunde für verschiedene Gewinnspiele eingetragen wird. Typischerweise werden monatlich 50 Euro oder auch wöchentlich 9,90 Euro verlangt. Wichtig: Auch in diesen Fällen liegt kein wirksamer Vertragsschluss vor, sodass für die Betroffenen keine Zahlungspflicht besteht. Viele Abzocker gehen dazu über, das Geld über die Telefonrechnung einzuziehen. Die Opfer finden dann unter der Rubrik „Beträge fremder Anbieter“ entsprechende Summen. Wer deshalb den Lastschrifteinzug der Telefonrechnung bei der Bank rückgängig macht und dem Telefonanbieter nur den unstrittigen Betrag überweist (siehe test warnt: Telefonrechnung aus test 10/2010), erhält oft später Post von einem Inkassounternehmen des Fremdanbieters.
„Mafiöse Strukturen“?
Besonders auffallend ist in der Untersuchung des vzbv, dass einige Inkassofirmen nur für bestimmte Abzocker in Erscheinung treten und in anderen Branchen überhaupt nicht. „Anscheinend haben sie sich auf das Eintreiben von unberechtigten Forderungen spezialisiert“, vermutet vzbv-Chef Billen: „Die Staatsanwaltschaft sollte prüfen, ob hier mafiöse Strukturen vorliegen.“ Als Beispiele nennt er Allinkasso, blue 180. Vermögensverwaltung, Debitor Inkasso Zagreb und Deutsche Zentral Inkasso.
Firmen müssen Inkasso einstellen
Zwei von drei Betroffenen hatten sich längst an die Abzockerfirma gewandt und die Rechnung bestritten, erläutert die vzbv-Untersuchung. In solchen Fällen dürfen Inkassofirmen nicht mehr aktiv werden. Denn sobald der unfreiwillige Kunde deutlich gemacht hat, dass er nicht zahlen wird, müssen die Geldeintreiber davon ausgehen, dass auch weitere Schreiben ihn nicht zur Zahlung bewegen werden. Nach Paragraf 254 BGB trifft den Gläubiger eine Schadenminderungspflicht. Er darf keine unnötigen Kosten verursachen. Sobald der „Kunde“ die Hauptforderung bestreitet, muss die Firma deshalb ihre Inkassotätigkeit komplett einstellen (Oberlandesgericht Dresden, Az. 8 U 1616/01, OLG Köln, Az. 19 U 85/00, OLG Karlsruhe, Az. 6 U 234/85, LG Rottweil, Az. 1 S 115/92).
Massive Drohungen
Wie unseriös die Machenschaften der Geldeintreiber sind, wird besonders an den massiven Drohungen deutlich. Da werden mitunter existenzvernichtende Konsequenzen angedroht, um das Opfer unter Druck zu setzen. Typische Drohszenarien:
- Urteile: Gern wird auf angebliche Urteile zu Lasten einzelner Verbraucher verwiesen. Solche Urteile sind jedoch absolute Ausnahmefälle und meist aus den unteren Instanzen. Sie kommen zum Beispiel zustande, wenn ein Verbraucher gegen die Abzocker klagt und Ersatz seiner Anwaltskosten verlangt. Die Abzocker selber klagen eher nicht. Die bei weitem meisten Verfahren gehen zu Gunsten der Verbraucher aus, vor allem in höheren Instanzen. So entschied zum Beispiel das Amtsgericht Magdeburg gegen eine Verbraucherin (Az. 140 C 3125/10). Im Berufungsverfahren wurde das Urteil jedoch kassiert.
- Klageschrift: Einige Inkassofirmen legen der Zahlungsaufforderung gleich den „Entwurf einer Klageschrift“ bei. Das verunsichert Verbraucher, die glauben, es werde jeden Moment Klage erhoben. In Wahrheit handelt es sich um eine reine Drohgebärde.
- Zwangsvollstreckung: Vor allem Teschinkasso und Allgemeiner Debitoren- und Inkassodienst drohen mit möglicher Zwangsvollstreckung und Pfändung. Diese sei noch bis 30 Jahre später möglich: „Bedenken Sie, dass ein Schuldtitel zu Zwangsvollstreckungen ihres Eigentums, zu Lohn- und Rentenpfändungen führen kann“, schreibt Teschinkasso. Dies könne sogar durch Verhaftung betrieben werden.
- Schufa: Die Androhung eines negativen Schufa-Eintrags beeindruckt viele Opfer. Tatsächlich ist so ein Eintrag aber nicht erlaubt, wenn der Verbraucher die Geldforderung bereits bestritten hat. Wer einen Inkassobrief bekommt, sollte daher per Einschreiben widersprechen, um gegenüber der Schufa nachweisen zu können, dass die Forderung bestritten wurde.
- Hausbesuch: Teils drohen die Firmen mit Hausbesuchen, berichtet die vzbv-Studie. Wellcollect teilt dafür sogar Datum und Uhrzeit mit. Die hanseatische Inkasso-Treuhand berechnet dafür 27,50 Euro zusätzlich. City-Inkasso droht unverhohlen mit einer Spezialdetektei, die – zufällig? – „Faust“ heißt und „längerfristig und intensiv“ recherchieren werde.
- Wortwahl: Aggressive Wortwahl erhöht den Druck auf die Opfer. „Wir haben Sie nicht vergessen“, schreibt der Deutsche Inkassodienst, Hamburg. Viele Betroffene fühlen sich dadurch bedroht und eingeschüchtert. „Sie zahlen, obwohl die Forderung unberechtigt war“, berichtet Friederike Wagner von der Verbraucherzentrale Sachsen. „Das Gros der Verbraucher zahlt aus Angst“, bestätigt Juristin Gabriele Emmrich von der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt.
Hinterhältiger Trick: Ratenzahlung
In jedem zweiten Fall taucht in der Untersuchung das Angebot an den Kunden auf, die Forderung in Raten zu zahlen – ein besonders hinterhältiger Trick, denn wer sich darauf einlässt, unterschreibt ein Schuldanerkenntnis. Vielfach muss der Verbraucher dann zahlen, in jedem Fall wird seine rechtliche Position erheblich erschwert.
Horrende Zusatzkosten
Die Inkassofirmen machen erhebliche Nebenforderungen geltend: Mahngebühren, Inkassokosten, Auslagen, Kontoführungsgebühren, Adressermittlungskosten, Verzugszinsen und vieles mehr. In jedem zweiten Fall waren dies Kostenpositionen, die nicht einmal die Experten des vzbv nachvollziehen konnten. Oft heißt es schwammig „Beratungen“, „Verwaltungsgebühr“ oder „Mahnspesen“.
Beispiel: Die ursprüngliche Forderung betrug 20,84 Euro. Diese Forderung wurde tituliert. Die Forderung betrug nach Titulierung per Mahn- und Inkassobescheid 169,21 Euro. Obwohl der Schuldner Teilbeträge zahlte, wurden daraus innerhalb von acht Jahren 1 206,37 Euro. Dabei hatte der Schuldner in der Zwischenzeit ein Mehrfaches der Hauptforderung bereits überwiesen. Allein für die regelmäßig verschickten, standardisierten Ratenvereinbarungen kassierte UGV jeweils 50 bis 135 Euro plus weitere Kosten. In einem Fall eines anderen Inkassounternehmens wurden aus 67,41 Euro Hauptforderung später 7 316,56 Euro*.
Gebühren unzulässig
Dabei hält der vzbv viele der eingeforderten Gebühren für unzulässig. Kontoführungsgebühren beispielsweise sind laut Oberlandesgericht Hamm nicht erlaubt (Az. 2 U 116/83). Und viele Geldeintreiber verlangen standardmäßig eine Pauschale für Adressermittlungskosten, die gar nicht entstanden sein können, weil die Adresse des Opfers schon dem Hauptgläubiger bekannt war. Darüber hinaus berechnen die Inkassofirmen überhöhte Verzugszinsen, oft auch noch so, dass nicht ersichtlich ist, für welchen Zeitraum sie anfallen. Im Ergebnis verlangen die Firmen im Durchschnitt deutlich mehr als Rechtsanwälte nehmen dürfen, die ebenfalls Geldforderungen geltend machen können, dabei aber dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz unterliegen.
Firmen nicht registriert
Kaum zu glauben: Von den 116 Inkassofirmen in der Untersuchung sind 19 nicht bei den Aufsichtsbehörden registriert. Sie dürfen daher gar kein Inkasso betreiben. Firmen mit besonders vielen Beschwerden sind hier blue 180. Vermögensverwaltung, Inkasso Zastita und Debitor Inkasso, beide aus Kroatien. Dass selbst nicht registrierte Unternehmen Verbraucher mit unberechtigten Forderungen bedrohen, teils sogar aus dem Ausland, sieht vzbv-Vorstand Gerd Billen als Beleg für ein „Versagen der Aufsichtsbehörden“. Bundesweit seien 79 Behörden damit betraut: „Besser wäre nur eine Stelle pro Bundesland.“
[Update, 05.12.2011] Schärfere Gesetze geplant
Das Bundesjustizministerium plant deutlich schärfere Gesetze gegen Inkasso-Abzocker. Wie der Berliner „Tagesspiegel“ berichtet, ist eine Deckelung der Inkassogebühren vorgesehen. Außerdem sollen die Inkassofirmen dem Verbraucher deutlich mitteilen, worauf sich die Geldforderung gründet und Namen und Adresse des Gläubigers nennen. Darüber hinaus sollen die Aufsichtsbehörden besser gegen Abzockerfirmen vorgehen können. Auch die Regelungen gegen unerlaubte Telefonwerbung und dubiose Gewinnspieldienste sollen verschärft werden. Wie die Süddeutsche Zeitung aus einem ihr vorliegenden Eckpunktepapier des Ministeriums berichtet, sollen die Bußgelder von 50 000 Euro auf 300 000 Euro angehoben werden.
auch di sogenannten Seriösen inkasso sind voll voll Korruptionen , und Betrügern